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31. Mai 2025

„Man bereut selten, was man versucht hat – aber oft, was man nie gewagt hat.“

2025 feiert der LED sein 60-jähriges Bestehen. In diesen Jahrzehnten haben viele Menschen durch einen Auslandseinsatz nicht nur ihr Wissen eingebracht – sondern auch eine neue Perspektive auf das Leben gewonnen.

 

Eine von ihnen ist Alexandra Jehle-Somda. 2013 reiste sie über den LED nach Burkina Faso, zunächst für ein Praktikum, später für einen mehrjährigen Einsatz. Heute lebt sie mit ihrer Familie in Liechtenstein – und ist in mehrfacher Hinsicht mit Burkina Faso verbunden geblieben. Im Interview gibt sie Einblick in ihre Motivation, ihre Erfahrungen und was ihr Einsatz bis heute bewirkt hat.

 

Ihre berufliche Laufbahn begann mit einer kaufmännischen Ausbildung. Nach neun Jahren Berufserfahrung folgten ein ehrenamtliches Praktikum und anschliessend ein Einsatz über den LED.

 

Heute engagiert sie sich in zwei Tätigkeitsfeldern, die ihr besonders am Herzen liegen: Zu 50 % arbeitet sie beim Liechtensteinischen Roten Kreuz als Koordinatorin im Haus der Familien, zusätzlich ist sie beim Verein für humanitäre Hilfe e. V. (VfhH)  tätig.

 

Alexandra:  Was hat dich persönlich dazu bewogen, einen Einsatz zu machen? Wie hast du die Auswahl für den Einsatzort getroffen?

Mit 25 suchte ich eine Veränderung: Eine sinnstiftende Aufgabe und raus aus dem kleinen Ländle. Ich wandte mich an den LED und erhielt die Möglichkeit für ein Auslandspraktikum. Zur Auswahl standen Südamerika und Westafrika. Meine Neugier auf Afrika und das Themenfeld des Einsatzes zogen mich schlussendlich nach Burkina Faso.

 

Das ursprünglich siebenmonatige Praktikum reichte nicht – ich verlängerte um weitere drei Monate. Zurück in Liechtenstein blieb das Gefühl: Da geht noch mehr. Ich erarbeitete ein Konzept mit Projektvorschlägen und stellte es dem LED vor – mit Erfolg. Ich durfte für einen Folgeeinsatz zurückkehren, diesmal mit einem Anstellungsverhältnis und mit klar definiertem Auftrag.

 

Wann und wie lange warst du im Einsatz? Und was waren deine Aufgaben?

Mein Einsatz dauerte von November 2014 bis Januar 2017. Ich arbeitete im Zentrum für Kinder in Not «Les Saints Innocents» (LSI), das von katholischen Ordensschwestern geleitet wird und grösstenteils durch den VfhH und mit Unterstützung des LED aufgebaut wurde. Mit diversen eigenen Projekten und rund 100 Mitarbeitenden ist es inzwischen der grösste Arbeitgeber der Region.

 

Zu meinen Aufgaben gehörten die Optimierung administrativer und organisatorischer Abläufe sowie die Umsetzung eines Infrastrukturprojekts: ein Business- und Gästezentrum mit Konferenzräumen, Übernachtungsmöglichkeiten und Catering. Das Projekt stärkt die finanzielle Eigenständigkeit des Zentrums LSI, fördert die Dorfentwicklung und schafft Arbeitsplätze. Von der Planung über die Umsetzung, bis zur operativen Inbetriebnahme war ich in vielen Rollen gefragt.

 

Mit welchen (erwarteten oder auch unerwarteten) Herausforderungen sahst du dich während deines Einsatzes konfrontiert?

Der Start meines Praktikums hatte es in sich: Ankunft im Februar – mitten in der Hitzeperiode mit bis zu 50 Grad, während daheim Schnee lag. In Kombination mit der ungewohnten Ernährung war das körperlich echt anstrengend.

 

Auch das Verhalten vieler Menschen mir gegenüber irritierte mich anfangs. Manche verneigten sich – das war mir unangenehm. Erst später verstand ich: Es war kein Zeichen von Unterordnung, sondern Ausdruck tiefer Gastfreundschaft. In vielen Kulturen Burkinas gilt es als selbstverständlich, Gästen mit grossem Respekt zu begegnen – unabhängig von Herkunft oder Status.


Insgesamt waren es klimatische und kulturelle Unterschiede, an die ich mich gewöhnen musste. Die Zusammenarbeit mit den Menschen vor Ort hingegen war von Beginn an bereichernd: Die Burkinabè sind smart, pragmatisch und sehr engagiert – das, und ihr wunderbarer Humor, machten die gemeinsame Arbeit produktiv und lebendig.

 

Wie war die Betreuung vor, während und nach deinem Einsatz durch den LED und wo hättest du noch mehr Unterstützung gebraucht?

Der LED bereitete mich gut vor. Zwischen Praktikum und offiziellem Einsatz konnte ich an einem Kurs von Comundo (damals noch INTERTEAM) teilnehmen – eine wertvolle Zeit, um gemachte Erfahrungen zu reflektieren und Neues dazuzulernen.

 

Herausfordernd war das Ausbalancieren der teils unterschiedlichen Erwartungen der drei Partnerorganisationen (LED, Verein, Zentrum). In solchen Momenten war ich froh, auf die Beratung des LED zählen zu können. Bei einem weiteren Einsatz würde ich noch mehr Zeit in die gemeinsame Vorarbeit und Zielklärung investieren.

 

Was waren deine Höhepunkte in dieser Zeit?

Ich bin bis heute tief bewegt, wie die Menschen in Burkina Faso mit den täglichen Herausforderungen ihres Lebens umgehen. Für viele ist es ein ständiger Kampf ums Überleben. Umso berührender war es zu sehen, wie viel Hoffnung und Halt das Zentrum schenkt – Kindern, die dort Schutz finden, Mitarbeitenden mit sicherem Einkommen und den vielen Menschen, die bei den Ordensschwestern Unterstützung suchen. Der Zusammenhalt, die gelebte Solidarität – sie retten täglich Leben.

 

Was hast du gelernt, das dich in deiner aktuellen beruflichen Tätigkeit oder in deinem Leben nach deinem Einsatz begleitet?

Ich habe enorm viel gelernt! Der LED ermöglichte mir den Einstieg in die gemeinnützige Arbeit, in der ich meine Berufung gefunden habe. Nach dem Einsatz konnte ich die Geschäftsführung des VfhH übernehmen und die Projekte weitere sechs Jahre lang vor Ort weiterentwickeln. Auch in meiner heutigen Tätigkeit im Haus der Familien profitiere ich von meinen vielseitigen Erfahrungen in Burkina Faso: Konzepte erarbeiten und umsetzen, Strukturen und Abläufe einführen und Menschen für gemeinsame Ziele begeistern.

 

Bist du noch mit den Menschen in Burkina Faso in Verbindung?

Mehr als das – ich habe dort meine Liebe gefunden und eine Familie gegründet. Unsere Kinder haben beide Staatsangehörigkeiten. Burkina ist Heimat – genau wie Liechtenstein. Wir sind regelmässig im Austausch und vor Ort, sowohl privat als auch im Rahmen der Vereinsarbeit.

 

Welche Botschaft hast du für die Menschen in Liechtenstein, die sich für einen Einsatz interessieren, aber noch unentschlossen sind?

Ein Auslandseinsatz verändert den Blick auf die Welt – und auf sich selbst. Ich kann nur ermutigen, den Schritt zu wagen. Man bereut selten, was man versucht hat – aber oft, was man nie gewagt hat. Wer bereit ist zu lernen, zuzuhören und sich einzubringen, wird viel zurückbekommen – beruflich wie menschlich.

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